Dresden, 1849

bakunin„Laßt uns die Schwerter ziehen, damit die Kette bricht … „ – so lautet der Titel eines Buches, welches vor nunmehr 15 Jahren im Karin Kramer Verlag in Berlin erschien und von Bernd Kramer stammt. Und im Untertitel geht es vielsagend weiter: „Michael Bakunin, Richard Wagner und andere während der Dresdner Mairevolution 1849“. – Was, wie bitte? Der Berufsrevolutionär Bakunin in einem Atemzug mit dem später staatstragend gewordenen Komponisten?

Vor 15 Jahren, als ich die Lesung des Autors dieses Buches besuchte, staunte ich nicht schlecht ob dieser Verbindung. Und ich staunte noch mehr, als der Autor seine Lesung damit begann, über das Wetter in jenen Tagen zu reden! Das Wetter, jawohl. Man fühlte sich sofort sorgend hineinversetzt in jene kurze Zeit, von der man trotz (oder wegen?) der „Diktatur des Proletariats“ auch in der DDR-Schulbildung so wenig wusste.

Bernd Kramers Interesse gilt natürlich eher Bakunin als Wagner, eher den einfachen Menschen, die hinter den Barrikaden standen, als den Machthabern im Dresdner Schloss. Jahrelanges Suchen in regionalen Archiven brachten eine Vielzahl von Dokumenten und Briefen zum Vorschein, die Kramer als Kaleidoskop dieses Aufstandes zusammenpuzzelt – dabei stets lieber den langen, originalen Wortlaut verwendend, als selbst kommentierend einzugreifen.

Letzteres beginnt man sich spätestens in der Mitte des Buches aber zu wünschen. Dass er bewusst auf eine chronologische Ordnung verzichtet, mag noch verständlich sein. Das auch als querzulesendes Buch gedachte Werk verliert aber spätestens dann sein Wirkung, wenn man sich nach der Vielzahl von Personen und Aspekten, die kursorisch dargestellt werden, eine Strukturierung, eine klärende Einordnung wünscht. Dass Kramer dazu das nötige Wissen als auch die entsprechende Fabulierkunst besitzt, wird an der einen oder anderen Stelle mehr als deutlich. Nur leider schläft sein Wille zur eigenen Gestaltung immer recht schnell wieder ein.

So bleibt am Ende eine sicher einmalige Ansammlung von archivarischen Besonderheiten, kleinen Schlaglichtern auf die Gedanken und das Erleben der Beteiligten des Aufstandes. Ein Verständnis für den Ablauf dieser Dresdner Tage des „Schlachtens“ kann man mit dem Buch aber leider nicht entwickeln. Höchstens für die nachfolgende grausame Verfolgung aller jener, die auch nur vermeintlich zu den Aufständischen zählten. Insbesondere der makabren Rolle der Frauenkirche als Stadtgefängnis in jenen Tag widmet sich Kramer mit großem Interesse, dabei auch den vor diesem Hintergrund eigentlich nicht tolerierbaren Wiederaufbau in den Blick nehmend.

Dennoch bietet das Buch einen nicht zu ersetzenden Einblick in diesen Aufstand. Zahlreiche zeitgenössische Abbildungen, bis hin zum Stadtplan jener Zeit incl. dem Standort aller Maibarrikaden, unterstützen das lebhafte Bild, welches beim Lesen entsteht.

Ja, wie war denn das Wetter vom 3. bis 9. Mai 1849 in Dresden? – Das muss man schon selbst lesen.

 

 

Bernd Kramer: „Laßt uns die Schwerter ziehen, damit die Kette bricht … “ Michael Bakunin, Richard Wagner und andere während der Dresdner Mai-Revolution 1849, Karin Kramer Verlag Berlin, 1999

 

 

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