Nach der sehr schönen Erfahrung im letzten Frühjahr, als ich erstmals mit dem OSC Potsdam Cyclingteam ins Trainingslager nach Mallorca geflogen bin, wollte ich 2024 wenigstens ein zweites Mal dabei sein. Nochmal die Berge im beginnenden Frühling genießen, nochmal 10 Tage lang nichts anderes als Radfahren, Schlafen und Essen. Dass das Ganze irgendwie Grenzen hat und der Reiz schwindet, wenn man die eine Ausfallstraße allein in der einen Woche mehrmals fahren muss, war irgendwie klar, aber ein zweites Mal, komm‘ … wenigstens die eine oder andere Zeit am Berg aus dem Vorjahr verbessern, dann soll‘s es auch vielleicht gut sein. (Mal sehen, wie ich in einem dreiviertel Jahr denke, wenn die Buchung wieder ansteht …)
Dieses Jahr war wieder das gleiche Hotel wie letztes Jahr geplant, mit Radverleih gleich nebenan, mehrere durchaus bekannte Kneipen für abends gleich um die Ecke und ausreichend abwechslungsreiches Buffett für die Grundversorgung. Der Zeitraum erste Märzwoche steht meistens irgendwie fest und ist auch prinzipiell nicht schlecht. Zu Hause in den letzten Jahren oft noch Winter, hier mit dem Versprechen, den Frühling schon mal ein bisschen vorziehen zu können, ohne, dass es richtig warm ist. Wenn ich mir rückblickend alle Bilder anschaue, habe ich wirklich den Eindruck, das Wetter war super. Strahlend blauer Himmel, Sonne, in OSC-rot gekleidete Radfahrerinnen und Radfahrer mit Sonnenbrillen – alles schicki. Noch kann ich mich aber erinnern, wie arg wir teilweise mit dem Wind gekämpft haben. Windstärken im zweistelligen Bereich, die nicht nur Gegenwind, sondern auch allen Arten von Seitenwind sehr unangenehm werden ließ. Vielleicht vergesse ich das aber irgendwann und sehe nur noch die schönen Bilder. War ja auch schön. Aber die Ansage im Feld, in der vorderen Reihe mal weiter links zu fahren, damit sich hinten die Leute in der Windkante ein wenig verstecken können, habe ich dort auch das erste Mal und nicht nur einmal erlebt. Auch eine nette neue Erfahrung für mich als Beinahe-Noch-Rennrad-Novize 😉
Tag 1, Freitag, 01. März
Los ging es am Freitag sehr, sehr früh mit einem der ersten Flieger vom BER direkt nach Palma, netterweise hatten wir einen Lift mit dem Auto zum Flughafen, so waren es wenigstens vier Stunden Schlaf. Die Ankunft im Hotel noch am Vormittag hat den Vorteil, das vorbestellte Leihrad noch vor der Mittagspause der Leihstation in Empfang nehmen zu können. Sonst müsste man bis 15 Uhr warten und das Zeitfenster für eine Aufwärmrunde bis zum Abendbrot ist dann schon etwas knapp. Also erstmal die Räder in Empfang genommen und glücklicherweise konnte ich mit meinem Zimmerpartner die Schlüssel auch schon 11 Uhr bekommen. Also dann doch gar keine richtige Pause, kurz etwas durchschnaufen, ein paar Snacks im Shop gegenüber holen, umziehen und gegen 13 Uhr auf‘s Rad. Ein paar OSCler, die schon am Vortag angereist waren, sind schon eher los, ein paar dann wohl auch noch später. Wir wollten uns dem Druck (schnelles Umziehen etc.) nicht gleich am ersten Tag aussetzen und hatten uns daher entschieden, einfach zu zweit zu fahren, und zwar genau dann, wenn wir fertig mit dem Ankommen und so sind. Ach so, „wir“ ist hier der gute Mirkel, der so nett war, mit mir das Zimmer mit Meerblick zu teilen. Ging auch weitestgehend gut 🙂
Mirkel ist für alles, was von Platja de Palma sinnvoll mit dem Rennrad erreichbar ist, Tourenplanungsexperte. D.h., geplant wird eigentlich nicht mehr, sondern einfach losgefahren. Für den ersten Tag, wo nicht die ganze Horde informiert sein muss, was sie erwartet, auch allemal ok. Am Ende waren es leicht über 90km, vielleicht ein kleinen Ticken zu lang und am Ende zu schnell für ein Warm Up. Hat sich aber alles ganz gut angefühlt, das Wetter war nicht perfekt, aber trocken.
92 km, 516 Hm, Dresscode: Lang/Lang.
Tag 2, Sonnabend, 02. März
Der Tag des gemeinsamen Auftaktes. Der Tag, an dem noch erstmal alle mit der großen Gruppe mitfahren, einfach weil es cool ist, die ganze Bunch um sich zu haben. Da wird trotz passablem Tempo, an dem sich alle beteiligen, schön gequatscht, Erlebnisse ausgetauscht, über private Dinge oder die neuesten Fahrradgadgets geschnackt. Von der Platja ging es nach Südosten an der Küste entlang raus, geplant waren ca. 140 km, auf dem Rückweg sollte dann noch der Randa mitgenommen werden. Für mich hieß das: Bei allem Kram unterwegs immer schön locker bleiben, der Berg kommt (fast) zum Schluss. Und was soll ich sagen: War eine schöne Runde! Eine der kleinen Straßen hinter Felanitx war allerdings leider wegen Verlegung eines Wasserrohres voll gesperrt. Links und rechts Mauer, dazwischen Bagger, Erdhaufen, Rohr: Kein Durchkommen für 15 Leute. Also erstmal umgekehrt und den nächstmöglichen Abzweig in die eigentlich gewünschte Richtung genommen. Landschaftlich schön, mit ein paar Gravel-Passagen aber nicht sonderlich gut für die Leihrennräder. Nicht zufällig in dem Segment gab es dann den ersten und einzigen Platten der ganzen Woche in der Gruppe. So gab es kleine Pause, in der alle die mittlerweile herausgekommene Sonne windgeschützt zwischen den Steinmauern genossen. In dem Moment fühlte es sich schon wie Frühling an! Es folgte der schön wellige Anstieg Richtung Llucmajor, bevor dann der Abstecher zum Randa begann. Nicht alle haben diesen mitgemacht, ich glaube, es waren am Ende zehn Leute, die mit oben waren. Der Anstieg ist nur ca. 5 km lang, hat um 250 Hm und lässt sich meist ganz gut fahren, richtig steile Abschnitte gibt es nicht wirklich. Wenn man Glück hat, steht auf einer langen Geraden hinauf der Wind günstig, sodass man gut geschoben wird. Ich kann mich nicht erinnern, ob das bei mir der Fall war. Die Serpentinenstraße schlängelt sich die erste Hälfte gut im Schatten des geteilten Bergkegels, sodass wir ganz gut vor Wind geschützt waren. Am Ende wird die Straße, die als Sackgasse zu einem Kloster führt, etwas aussätzig: Man hat einen schönen Blick den plötzlich steilen Abhang hinunter – und der Wind nimmt wieder deutlich zu. Anfangs konnte ich noch an André und Mario dran bleiben, irgendwann musste ich aber abreißen lassen. Das übliche Gruppenfoto oben, und dann über Llucmajor straight zurück nach Hause. 140 km, 1190Hm. Dresscode: lang-3/4
Tag 3, Sonntag, 3. März
Im Prinzip war eine ähnliche Runde wie gestern geplant, nur andersherum: Zunächst sollte es etwas nördlicher Richtung Petra hinausgehen, bevor die Tour im Osten Richtung Süden schwenken und dann an der Küste zurück gehen sollte. Es sollte eigentlich auch trocken bleiben, bereits nach ca. eine Stunde wurden die Wolken in Fahrtrichtung aber etwas dunkler. Es begann eine kleine Kreuz-Quer-Fahrt westlich vom Randa, um den Wolken auszuweichen. Ein paar schöne kleine Straßen dabei entdeckt, die der Fast-Einheimische Torsten schnell parat hatte. Kurz vor Felanitx tauchte dann das Bergkloster San Salvador im Blickfeld auf. Es war nicht geplant, da heute hoch zufahren, aber irgendwie lockte es mich. Ich war zwar am weitesten Punkt der Runde vom Start entfernt und müsste alles allein gegen den Wind zurückfahren. Andererseits wusste ich nicht, ob ich nochmal einen Lift bis Felanitx bekomme, und überhaupt – wer weiß, ob ich nochmal hier sein werde. Also habe ich mich dann spontan entschlossen, jetzt da allein hoch zu fahren, im Peloton abgemeldet und abgeseilt. Für die Umplanung meiner Tour auf dem Fahrradcomputer legte ich eine kleine Pause ein. Das war ganz gut, da in der Zeit die Schauerwolken passieren konnten. Das Umplanen war dann leider etwas komplizierter: Sowohl der Uhr als auch dem Computer bei laufender Aufzeichnung zu erzählen, dass die Tour jetzt anders ist, habe ich mir irgendwie ergonomer vorgestellt – nun ja.
Nach dem das erledigt war, dann allein schön die wunderschöne Straße nach San Salvador hoch. Man passiert dabei ein paar vorgelagerte alte Siedlungsteile des Klosters, zwischen denen der offenbar historische Pfad zwischen halb verfallenen Steinmauern nach oben geht und immer wieder mal die jetzige Straße quert – sehr hübsch! Unten hatte ich mir noch alles angezogen was ich dabei hatte – der Wind nahm am Berg spürbar zu und es kühlte auch leicht ab. Oben dann mit dem Rad ein paar Fotos gemacht, wieder runter gerollt und dann …, ja dann zwei Stunden allein gegen den krassen Wind zurück. Schnell ist anders, aber am Ende doch glücklich und zufrieden, den Abstecher gemacht zu haben. Blöderweise hatte ich Umplanen der Route die gestern erlebte Sperrung vergessen: Also wieder genau an der Stelle angekommen, wo es gesperrt war. Heute wollte ich aber nicht umkehren und bin mit dem Rad in der einen Hand, die andere Hand am Bagger mit den Radschuhen 20 m über rutschige Rohre geklettert, bis ich wieder aufsitzen konnte. Naja, Schlammputzen der Radschuhe war dann allerdings im Hotel auch fällig.
110km, 1205Hm, Dresscode: lang – 3/4
Tag 4, Montag, 4. März
Nach nunmehr drei Tagen im eher welligen Osten der Insel hatte ich davon eigentlich genug. Als dann wie üblich bei Abendbrot die Tour für den Folgetag besprochen wurde und als Komoot-Link im Gruppenchat landete, sah ich, dass es wieder in die Richtung gehen sollte. Und wo sind die Berge? Ich bin doch nicht zuletzt wegen den schönen Passtraßen hier. Also habe ich in den Chat ein Alternativangebot gestellt: Über Santa Maria den Soller-Pass queren, ein Stück die Küstenstraße entlang und dann über Valdemossa zurück. So war der Plan. Attraktiv fand den Armin, der sich mir als einziger anschloss. Also wie allen anderen um 10 Uhr unten vorm Hürzeler abfahrbereit, aber dann eine andere Richtung eingeschlagen. Letztes Jahr waren wir den Soller-Pass auch einmal gefahren, aber aus der anderen Richtung. Der Pass war zu der Zeit noch für Autos gesperrt, da es kurz vorher ein größeres Unwetter gegeben hatte und noch viele Bergstraßen beräumt werden mussten. So hatten wir den als Radfahrer für uns, was aber auch hieß, dass hier und da ein paar Baumteile herumlagen, die Aufräumarbeiten waren aber schon fast abgeschlossen. Mirkel war letztes Jahr am Soller bergab leider in einer Kurve weggerutscht und hatte ein bisschen Aua an der Hand, war nicht weiter schlimm, trotzdem blöd. Also diesmal den Pass von der anderen Seite aus Richtung Palma: Die Serpentinen lagen schön in der Sonne und gut windgeschützt, die Autos waren alle schon im Tunnel unten verschwunden (über den Pass müssen nur Einheimische, die oben wohnen), so hatten Armin und ich den Anstieg für uns, also fast. Nur ein, zwei Liefer-LKWs kamen uns entgegen, die in den Spitzkehren immer wieder zurücksetzen mussten, um herumzukommen. Wir mussten zwar nie deswegen warten, konnten das Ganze an dem offenen und gut einsehbaren Hang aber verfolgen. Auf der anderen Seite im Schatten wieder herunter, stößt man wieder auf den aus dem Tunnel kommenden Verkehr – bis zum Ort Soller dann einer der ungemütlichsten weil sehr hektischen Abschnitte. Bergab geht es aber schnell, so ist auch der Teil relativ zügig vorüber, bevor ein weiterer sehr malerischer Teil auf uns wartete: Die Küstenstraße zwischen Soller und Valldemossa! In dieser Richtung tendenziell immer ansteigend, mal etwas steiler, dann mal eine kleine Welle wieder runter: Dabei immer wieder malerische Blicke zur schroffen Küste runter. Als wir in dem am Hang liegenden Ort Deià kamen, meinte Armin, dass er den links und rechts der Straße auch noch nicht kenne. Also haben wir uns schnell geeinigt einen kleinen Abstecher zu machen. Zu zweit geht das sehr gut, in der großen Gruppe völlig unmöglich. Mitten in diesem Ort, der selbst am Gebirgshang liegt, ragt ein kleiner Kegel hervor, auf dem – natürlich – die Kirche steht. Da wollten hier kurz hin und siehe da: Zwischen den eng stehenden Häusern schlängelte sich die durchaus fahrbare Gasse verwinkelt bis nach oben: Lohnenswertes Sightseeing abseits des Asphaltgeballers! Weiter ging’s bis Valldemossa – von da ab stand in meiner Erwartung, Richtung Palma noch einmal das Gebirge queren zu müssen, was dann aber gar nicht notwendig war: Von Valldemossa geht ein Einschnitt mitten durch, sodass bei gutem Wetter aus Palma der Ort in den Bergen zu sehen ist. Hatte ich irgendwie völlig vergessen. Bevor wir also geschwind mit Rückenwind zurückballern konnten, führte uns die tolle Komoot-Routenführung noch durch engste Gassen von Valdemossa. Keine Ahnung, was den Algorhytmus geritten hat, uns bei einer Rennradroute von der sehr guten Asphaltstraße durch enge Kopfsteinpflastergassen mit zusätzlichen Höhenmetern zu schicken, nur um am Ende vielleicht 100m Strecke einzusparen, bevor man wieder auf die ursprüngliche Straße kommt. Naja, heute war eh Erlebnis angesagt, also am Ende alles unkritisch und Armin sieht es zum Glück sowieso gelassen. Am Ende glücklich und zufrieden die Runde zu zweit fertiggestellt. 107km, 1500 Hm, Dresscode: lang – 3/4
Tag 5, Dienstag, 05. März
Ruhetag! Also fast … Zu einer Rennradwoche gehört immer auch ein Ruhetag. Steht in jedem Trainingsplan und wird selbstverständlich auch hier umgesetzt. Gerade wenn so deutlich überdurchschnittlich viel Zeit auf dem Rad verbringt, braucht der Körper mal eine Pause. Aber halt, nicht ganz. Ein bisschen Lockerung hilft auf jeden Fall, um am Folgetag nicht völlig steif auf dem Bock zu sitzen. Also habe ich mich entschieden, alleine eine wirklich lockere Runde von ca. 2 Stunden zu drehen, dann zu duschen und mir einen restlichen schönen Tag in Palma zu machen. Also nur den sogenannten „Stufenberg“ nach Llucmajor, dann nach Norden Richtung Algaida und dann den Radweg neben der Autobahn wieder runter zur Küste. 42km, 429 Hm, Dresscode lang – 3/4
Am Nachmittag dann einen schönen City Walk in der Innenstadt von Palma gemacht, ein paar Mitbringsel für zu Hause geshoppt und auf einem kleinen hübschen Platz einen Kaffee in der Sonne genossen. Die Bar scheint auch bei Einheimischen beliebt zu sein, hier saßen Locals, die auch letztes Jahr genau hier saßen 🙂
Der Rest der Gang war am Morgen gleich mit dem Rad gemütlich Richtung Innenstadt gefahren und hatte dort vorbildlich in OSC-Klamotten im Café posiert, auch okay.
Tag 6, Mittwoch 06. März
Die Geschichte dieses Tages ist eine ganz besondere. Aus dem lockeren Gequatsche, dass doch hier nicht diesen Luschentouren mit gerade mal einer 1 vorn gefahren werden sollten, begann es wohl im sehr kleinen Kreis. Wieviel Prozent daran ernst gemeint war, kann der geneigte Leser und ggf. Beteiligte ja selbst noch äußern. Ist aber auch egal: Im Prinzip ist das nicht ganz falsch: Die meisten der Mitreisenden stehen voll im Arbeitsleben, haben ihre häuslichen Verpflichtungen usw. Wenn man hier schon mal komplett „frei“ hat, muss man sich ja nicht selbst dadurch beschränken, dass man immer erst genau 10 Uhr losfährt und 18 Uhr geduscht und gestriegelt zum Abendbrot erscheint. Der erste Aufschlag für eine richtig lange Tour kam schon am Anfang des Trainingslager: Da waren es ca. 250 km, komplett mit allen Highlights des Tramontana-Gebirges. Nicht wenige hatten dafür ein müdes Lächeln übrig. So richtig aus dem Gespräch war der Kracher aber nicht, und so kondensierte es sich langsam heraus, nach dem Ruhetag das Ding in abgespeckter Form in Angriff zu nehmen. Übrig blieben 215 km, mit lächerlichen 3300 Hm. Was irgendwie auch hieß, nicht erst um 10 loszufahren. Genau um 8 sollte der Start sein, an dem sich neben mir fünf weitere Kollegen und eine Kollegin vor dem Hoteleingang zum „Vorher“-Foto einfanden.
Von Vorteil war, dass im Hotel täglich von 4 bis 7 Uhr ein „Früh“-Frühstück angeboten wird, für alle, die mit den ersten Fliegern des Tages nach Hause müssen. Also Wecker auf um 6, halb 7 Frühstück, um 8 fertig zur Abfahrt. Und was soll ich sagen? Die Königsetappe war der Hammer! Ich bin an wunderschönen Ecken vorbeigekommen, die ich noch nicht kannte: Die komplette Küstenstraße zwischen Andratcx und Soller mit zahlreichen kleineren und größeren Anstiegen, den 15km langen Anstieg zum Puig Major und die lange Schussfahrt nach Pollenca hinunter. Dann hätte die Tour auch zu Ende sein können und alles wäre ok gewesen. Aber wir mussten noch fast die komplette laaaange wellige Ebene der Insel zurück an die Platja kurbeln. Mit Gegenwind. Mit am Ende langsam untergehender Sonne. Mit nur drei Leuten mit Licht am Rad. Mit dem Gefühl, zwar erst den vorletzten Riegel gegessen zu haben, aber nicht mehr zu fühlen, ob man eigentlich gerade Hunger hat. Mit Leuten, die sich dankenswerter Weise am Ende fraglos vorn eingespannt haben. Mit die letzten zwei Stunden einfach nur noch mittreten ohne Nachzudenken. Irgendwie kurz nach 19 Uhr waren wir glaube ich am Hotel und wurden mit viel Anerkennung von den anderen empfangen. Das war cool. Am coolsten waren aber die 6 Mitfahrer*innen. Danke gern noch mal auch hier dafür.
214,9 km, 3373 Hm, Fahrzeit gesamt an die 11 Stunden, Dresscode: lang – kurz (zumindest nach der morgendlichen Frische)
Tag 7, Donnerstag 7.März
Ein Tag nach der großen Tour, auf der genügend Gründe gesammelt wurden, es heute wieder ruhiger angehen zu lassen. So war der Plan am Abend, eigentlich. Und so sollte es auch bleiben, eigentlich. Mein freundlicher Raumteiler, der gestern nicht mit auf der großen Runde war, hatte sich allerdings mit zwei anderen verabredet, heute nach Sa Calobra zu fahren. Also die legendäre Sackgassenstraße aus den Bergen an die Küste unten im Westen der Insel. An dem Abzweig war ich gestern schon vorbeigekommen, ja, und wer weiß … Sa Calobra wollte ich dieses Jahr auf jeden Fall sehen, da ich nicht weiß, ob ich nochmal mit hierherkomme. Und da gab es also heute diesen Lift dahin … Ja gut, dann muss ich den halt nehmen. Spontan am Morgen Mirkel mitgeteilt, dass ich mitkomme, gut. Ach so, was? Es geht schon halb 10 los? Oh, na dann, muss ich mich beeilen. Punkt halb 10 also Abfahrt zu fünft, zwei wollten eine eigene Runde durch die Berge drehen und hatten die Anfahrt bis dahin mit uns gemeinsam, und wir drei, das heißt Mirkel, Armin und ich waren Richtung Sa Calobra unterwegs. Die erste Stunde also gemeinsam angerollt, und ich merkte schon, dass wird heute eine schwierige Nummer für mich. Motivation ist da, aber die Beine … Um dahin zu kommen, wo die Straße hinunter Richtung Sa Calobra abzweigt, muss vorher das Gebirge gequert werden. Die einfachste Nummer aus Richtung Palma kommend ist es, an Inca vorbei nach Lluc hochzufahren. Ein schöner Anstieg durch ein schickes Tal, auf der Höhe durch eine unter Rennradfahrern beliebte Tankstelle gekrönt. Dort war es dann auch fast so voll wie am 4. Advent auf dem Striezelmarkt. Schon an diesem ersten Berg schaltete ich in den „Ankommen-Modus“. Mehr war nicht drin. Von der Tanke ging es dann leicht wellig durch die Berge bis zum benannten Abzweig. Hier gab es eine netten Imbiss in einer Holzbude und großem Außengelände mitten in der Natur. Ein einheimisches Grauohr wohnte dort auch. Es streifte durch die Tische und Leute und schaute ganz unaufgeregt, ob es irgendwo was Essbares finden konnte, auch Rucksäcke waren interessant.
Nach einer kurzen Pause sollte es dann runter an die Küste gehen. Wir rollten leicht bergab los, vor uns war dann irgendwie so ein komischer Hang, auf dem oben Radfahrer und ein paar Autos zu sehen waren. Und ich dachte, Mirkel machte einen Witz als er sagte, da hoch müssen wir … Ich dachte, es geht RUNTER – ich kann gerade nicht HOCH fahren … Naja, diese „Welle“ muss man halt mitnehmen, bevor man die abenteuerliche Felsenstraße an die Küste hinunter absteigen kann. Bevor es richtig runter geht, passiert man noch die „Nus de sa Corbata“, eine Schlaufe, wo sich die Straße selbst kreuzt, um auf geringem Raum Höhenmeter zu machen. Das ganze Drumrum kann man auch ganz gut hier nachlesen und sich hübsche Bilder dazu anschauen: https://www.merian.de/europa/spanien/mallorca-die-schlangenstrasse-nach-sa-calobra
Bergab war dann alles erstmal kein Problem. Kurz bevor man unten in dem winzigen, und von Touristen völlig überlaufenen Fischerdörfchen ankommt, geht links eine Straße in eine Nebenbucht ab: Cala Tuent heißt die Hübsche, und für die hatten wir uns heute entschieden. Das hieß zwar, noch mal eine kleine Welle über einen Sattel zu nehmen, aber dann um so schöner in eine malerische und fast menschenleere Bucht hinunterzurollen. Den Tipp hatten wir von der Sponsorenrunde des Trainingslagers, die am Tag davor mit einem Leihauto hingefahren und sich einen schönen Tag gemacht hatten. Super Idee, danke Jungs! So, also unten am Wasser, fühlte sich alles auch ein bisschen wie Kroatien hier an: Ein bisschen wild, ein bisschen vernachlässigt und einfach tonnenweise Natur. Aber alles Genießen half nichts: Wir mussten weiter, d.h., den ganzen Weg wieder hoch zum o.g. Abzweig. Das bedeute, 10,7 km und 800 Hm zurück. Schon auf den Blick dieser Zahlen ist klar: Fast 8% im Durchschnitt bergan. Fahrzeit allein dafür über eine Stunde. Überlebensmodus an. Kurbeln. Im kleinsten Gang. Jede kleinste vermeintliche Gelegenheit genutzt, mal ein, zwei Gänge aufzuketten, aber relativ schnell resigniert und wieder nachgegeben. Macht keinen Sinn. Einfach nur weiterkurbeln. Die jungen Leute hier von verschiedenen Teams, die mit ihren schicken Rädern an mir vorbeiflogen, teilweise mit Bluetooth-Boxen in der Trikottasche. Naja, also mit Musik kann ich auch so schnell … 🙂 Ja, die Straße ist unglaublich schön, warum hat man hier nur so viel Aufwand betrieben, die in den Fels zu hämmern, nur um zu der Fischerklitsche da unten hinzukommen? Vielleicht war es, um besser Steuern eintreiben zu können. Naja, würde ich trotzdem nicht danke sagen dafür. Ein Erlebnis ist es allemal, und alles sehr flüssig in 3D gerendert, hat auch kaum geruckelt. Und ja: Auf virtuellen Plattformen solch ikonische Straßen zu fahren, ist und bleibt ein Dreck gegen das tatsächliche Erleben. Es sei denn, sie mergen den ganzen Scheiß irgendwann mit der Vision Pro oder ähnlichen Gadgets und laden tonnenweise reale Daten rein. Ob man das dann noch will, ist eine andere Sache. Auf den CO2-Vergleich der beiden Optionen bin ich aber jetzt schon gespannt. Zur Beruhigung sei gesagt: „Carbon free“ geht bei rennradbezogenen Unternehmungen ja heute sowieso nicht mehr 🙂
Ich bin angekommen. Beim Esel. Am Abzweig. Ich brauche eine Cola. Und einen Stück eingeschweißten Kuchen. Was es bei solchen Imbissen in der Natur halt so gibt. Und es geht weiter: Zum Puig Major, den ich gestern aus der anderen Richtung genommen habe. Von hier aus ist es aber deutlich einfacher, da man von einem höheren Ausgangspunkt kommt. Der Anstieg ist mehr als akzeptabel, und siehe da: Entweder die Cola oder der eingeschweißte Kuchen oder was auch immer haben dafür gesorgt, dass ich plötzlich fahren konnte. Bergauf. Mit akzeptablem Druck. Ich halte fest: Nach der Monstertour war der erste Berg Mist, der wellige Transfer Mist, der zweite krasse Berg Mist, aber der dritte Berg, klar, der ging wieder.
Ich musste dabei an die Doping-Bekennerbücher der späten 2000er Jahre denken. Ich glaube, Tyler Hamilton (im Buch „The Secret Race“) war es, der gesagt hatte, man fährt mit Doping keineswegs leichter, es ist genauso anstrengend wie immer. Die zu überwindendende innere Grenze ist genau gleich. Aber wenn man gedopt ist, kommt irgendwann noch eine zweite innere Grenze, die man überqueren kann. Voraussetzung ist, man ist bereit, soweit zu gehen.
Am Puig angekommen (also nicht ganz oben, man quert eh mit der Straße unterhalb den Gipfel), aber ab hier dann 15km Abfahrt hinunter nach Soller, bei besten Straßenbedingungen. Erik Zabel soll mal gesagt haben, man bremst auf diesem Abschnitt nur einmal. Und ich glaube nicht, dass er meinte, „die ganze Zeit“ 😉
Durch den Ort Soller, und dann, als Finale des heutigen Tages, noch den Pass de Soller, weil man als Radfahrer ja nicht durch den Tunnel darf. Den letzten Berg des Tages sind wir dann schön einträchtig nebeneinander und bei passablem Tempo nach oben gekurbelt, die Sonne stand auch schon schön flach über den Gipfeln, als wir oben ankamen. Also dann langsam die Beine in die Hand genommen und hinunter und die letzte nun schon mehrfach bekannte Passage von Bunyola über Sa Cabaneta an die Platja de Palma zu unserem Hotel. 160km, 3000Hm, Dresscode wenigstens zwischenzeitlich: kurz – kurz
Tag 8, Freitag, 8. März
Ich war mir sicher, nach den zwei ernsthaften Bergetappen nun einen richtigen Ruhetag verdient zu haben. Und es galt, noch ein paar extra Adventure-Punkte heute einzusammeln: 1. Mit einem Leih-Roller über die Insel gurken 2. In der Cooperative de Soller (https://www.coopsoller.coop/de/) ein paar Mitbringsel für zu Hause schoppen.
Genau das habe ich dann gemacht. Heute durfte ich motorisiert den Tunnel nach Soller nutzen, aber ehrlich: Als Radfahrer darf man das nicht nur, man will das auch nicht. Eine recht schmale Straße, keinen Seitenstreifen und mehrere Kilometer lang. Dabei bin ich beim Fahren noch einer optischen Täuschung erlegen: Hinzu dachte ich, es geht leicht bergab, und zurück dachte ich das Gleiche. Oh mein Gott, wenn man eben einfach nur am Gashahn drehen muss, verschieben sich schon mal die Wahrnehmungskategorien …
Nach der Visite in der Kooperative bin ich dann nach Port de Soller gefahren, um ein bisschen Sightseeing zu machen. Erstmal an der Promenade einen Kaffee gegönnt und dann ein bisschen rumspaziert. Vorn an den Klippen jenseits der Bucht gab es ein paar Kletterpfade an den Felsen entlang. Habe mich fast wie zu Hause gefühlt 🙂 Das mit einem Stahlseil gesicherte Stück Weg mit direktem Abhang zum Meer drunter habe ich dann aber besser nicht genommen und bin gemütlich zurück geturnt. Auf dem Rückweg mit dem Roller hatte ich noch etwas Zeit bis zur Rückgabe. Kurzentschlossen bin ich ab Bunyola noch über den Orient gefahren. Ist ja meine Lieblingstour mit dem Rennrad. In der Abendsonne waren auch noch ein paar Sportler unterwegs.
Auf dem Rückweg Richtung Arenal, wo ich den Roller abgeben musste, wurde es dann schon recht frisch. Das hat mich daran erinnert, dass man auf dem motorisierten Bock eigentlich oft friert.
Tag 9, Sonnabend, 09. März
Der erste Tag, an dem es nicht nur windig, sondern auch noch regnerisch sein sollte. Mit Kochi und Mario wenigstens eine kleine Runde gedreht, in der wir sogar überwiegend trocken blieben. Und an der Cala Pi mit dem alten Leuchtturm bin ich wenigstens auch mal vorbeigekommen. Mehr gibt‘s eigentlich nicht zu sagen. (Außer dass es mir hier das erste Mal passiert ist, die Trinkflasche während des Fahrens neben dem Flaschenhalter einzuführen. Was logischerweise nicht geht. Was dazu führt, dass die Flasche auf die Straße fällt. Muss man auch erstmal bringen :))
57 km, 379 Hm, Dresscode: lang – lang
Tag 10, Sonntag, 10. März
Dank des Umstandes, dass unser Flieger erst am Abend gehen sollte, war die Chance da, nochmal aufs Rad zu steigen. Und das hat sich auch echt gelohnt. Mit Mirkel und Mario durch den Orient gefahren, meine Lieblingsstrecke, was ich glaube ich schon mal geschrieben habe. Ich liebe vor allem die Einfahrt in das Tal von Nordosten her. Links und rechts der Straße stehen zwei sehr markante Felsen, die wie Wächter den Eingang bewachen und auch aus großer Entfernung gut zu erkennen sind. Das Wetter war wieder deutlich besser, heiter bis wolkig und leicht wärmer als sonst. Noch ein paar hübsche Fotos Coll d‘Orient, schön den danach noch kommenden Coll d‘Honor hochgeballert und dann zu dritt gegen den Wind zurück. Ok, Mario hat den Großteil davon übernommen. Ist ja auch der Stärkste von uns dreien 🙂
Dann Radrückgabe, duschen bei einem Kollegen im Zimmer, der noch länger blieb, nochwas futtern und dann wartete schon bald der Bus zu Flughafen. Schön war‘s. Ob ich nochmal wiederkomme, weiß ich nicht. Es gibt so vieles zu entdecken. Von dem einen oder anderen wird hier sicher auch bald berichtet.
90 km, 1138 Hm, Dresscode: lang – 3/4